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Rebekka Vollenweider

Nächtlicher, besinnlicher Besuch auf dem Friedhof

DSC_3142 (Foto: Rebekka Vollenweider)

Im Rahmen „Leben Gestalten / Abschied“ besuchte eine Gruppe Interessierter am Freitagabend mit Pfarrer Patrick Marchlewitz den verschneiten Friedhof. Die mystische Stimmung auf einem kurzen Spaziergang durch die Gräber rief in den Teilnehmern Erinnerungen und Erlebnisse aus seinem Leben wach, die anschliessend besprochen wurden.




* Text & Bild von Werner Nef *

Um 19 Uhr trafen sich 14 Teilnehmer vor dem Eingang zum Zentralfriedhof. Nach einem Grusswort von Pfarrer Marchlewitz zogen wir einzeln oder in kleinen Gruppen durch den mit Neuschnee bedeckten und deshalb besonders mythisch wirkenden Friedhof. Ein nicht alltägliches Erlebnis, in der Stille Gedanken an früher, an verstorbene Mitmenschen oder an ganz besondere Ereignisse in sich hochkommen zu lassen. Nach einer knappen halben Stunde trafen wir uns in der Friedhofskapelle. Jeder zündete eine Kerze an, die er mit persönlichen Wünschen auf den Altar stellte und eine Erfahrung nannte. Um sich der Kälte zu entziehen, zogen wir gemeinsam zur nahen Musikschule. Dort erwartete uns eine kleine Stärkung, offeriert von der Kirchgemeinde. Patrick Marchlewitz eröffnete den zweiten Teil mit Erinnerungen an den Frankfurter Friedhof, den er in seiner Kindheit regelmässig mit seinen Eltern besuchte. Für seine Eltern war es wichtig, die Gräber ihrer Verwandten zu besuchen und so der Verstorbenen zu gedenken. Für ihn ist der Friedhof immer noch ein Ort der Stille und Ruhe, also ein ganz besonderer Fleck Erde, wo sich das Diesseits mit dem Jenseits trifft und einem die Vergänglichkeit bewusst wird. Gräber bedeuten den Menschen auch deshalb viel, weil sie uns vergegenwärtigen, wie die Liebe uns mit den Verstorbenen verbindet.

Wir hörten, dass es früher in Rorschach zwei Friedhöfe gab, einer für Katholiken bei der Kolumbans Kirche, der andere für Protestanten im heutigen reformierten Kirchenpark. Erst 1910, als die Stadt an Einwohnern stark wuchs, entschloss man sich in Rorschacherberg, unmittelbar an die Grenze zu Rorschach, einen neuen Zentralfriedhof zu bauen, der 1912 seine Aufgabe übernahm. Zentral ist der Friedhof mit seiner Lage, aber auch, weil er für alle Religionen und Stände gedacht ist. Mit der heutigen Tradition der Kremation ändern sich die Friedhofgewohnheiten. Das knapper werdende Platzangebot entspannt sich in den letzten Jahrzenten und Freihöfe werden gerade in Städten zu Parks mit Sitzplätzen und Spazierwegen in einer stillen Natur. Die Gruppe bei ihrem Austausch erinnert sich daran, dass früher die Frauen ein Jahr lang nur schwarze Kleider tragen durften, wenn ein Angehöriger verstarb. Männer trugen in dieser Zeit einen schwarzen Knopf. Der Tod wurde früher in den Zeitungen durch Anzeigen mehr bekannt gemacht als heute, damit möglichst viele Menschen vom Verstorbenen Abschied nehmen können.

Die Runde führte sehr persönliche Gespräche über Wünsche und Ansichten der Bestattung. Wichtig schien allen, dass man frühzeitig mit den Angehörigen über die eigene Beerdigung sprechen muss, damit diese bei einem Todesfall nicht überfordert sind. Auch das Wie und Wo ich beerdigt sein möchte, sollte vorher abgemacht werden. Wichtig ist allen, dass jeder seinen Weg findet und sich im Klaren ist, dass Leben immer auch Abschied nehmen heisst, sei er schön oder traurig, gerade dann, wenn er für immer ist.

Nach rund zwei Stunden stellte die Gruppe fest, dass man ausgiebig über das Ableben gesprochen haben, aber die wertvolle und unsterbliche Seele ging beinahe vergessen. Über dieses Thema könnte man ebenfalls einen ganzen Abend eine interessante Diskussion führen. Auf alle Fälle tat es allen gut, sich zwischendurch einmal Zeit zu nehmen, um sich Gedanken über unsere Vergänglichkeit und den endgültigen Abschied von geliebten und nahestehenden Menschen zu machen.

Bereitgestellt: 26.11.2024     Besuche: 76 Monat